Die Legende des Nürnberger Rauschgoldengels
Allen Besuchern von Nürnberg, die zur Weihnachtszeit über die Plobenhofstraße zum bekannten Christkindlesmarkt gehen, bleibt der riesige Rauschgoldengel nicht verborgen, welcher über der Straße befestigt ist. Und auch in zahlreichen Buden kann ein Rauschgoldengel käuflich erworben werden. In sämtlichen Größen und stets in Goldfarben findet er Jahr für Jahr viele Abnehmer, die den goldenen Himmelsboten als Andenken mit nach Hause nehmen. Doch wie kommt Nürnberg überhaupt zu seinem Rauschgoldengel? Die wahre Geschichte des Rauschgoldengels ist leider nicht bekannt. Dennoch kommt man immer wieder zu dem Ergebnis, dass die Entstehung des Rauschgoldengels eng mit dem metallverarbeitenden Handwerk der heutigen Frankenmetropole verbunden ist.
Auch wenn das Rauschgold schon aus dem alten Ägypten bekannt ist und später auch von den Franzosen vor allem in der Gegend um Lyon hergestellt und kunstvoll verarbeitet wurde, wird nach der Überlieferung ein Erasus Ebner zu Nürnberg der Erfinder des Rauschgoldes gewesen sein.
Erasmus Ebner und die Tochter des Meisters
Erasmus Ebner war ein fleißiger und geschäftiger Kaufmann und zugleich ein Herr des Rates. Da er auch „Messingbereiter“ bezeichnet wird, war er damals Messingschmied, was allerdings nicht ausschließt, dass er in seiner Werkstatt auch Rauschgold herstellte. Der Mann ist als herzensguter, hilfsbereiter Mensch bekannt. Im harten Winter von 1570 hatte er sich den Flüchtlingen angenommen, die aus Frankreichs aufgrund ihres Glaubens vertrieben wurden. Um als gutes Beispiel voranzugehen, nahm er selbst einen Flüchtling mit seiner Tochter in seinem Haus auf. Dieser Flüchtling war Holzschnitzer. Seine Figuren in seinem Reisesack ließen erkennen, dass er in seinem Fach ein Meister war, weshalb die Leute ihn auch nur „Meister“ nannten und sein Name aus diesem Grund leider nicht bekannt ist.
Die Tochter des Flüchtlings, dessen Ehefrau bereits verstorben war, war sehr kränklich. Erasmus Ebner und seine Angehörigen, vor allem aber auch die Kinder, sorgten sich um die Tochter. Damit sie sich am sonntäglichen Kirchgang nicht um ihre abgetragenen und ärmlichen Kleider schämen musste, schenkte die Frau von Erasmus Ebner der Flüchtlings-Tochter ein reich besticktes Kleid, welches mit bunten Bändern verziert war. Das Kleid bestand aus einem langen Rock, einer hellfarbigen Schürze, die man Fürtuch nennt, einem schwarzen Samtmieder und einem geblümten Brusttuch. Solche Kleider trugen damals Mädchen an Festtagen. Das Auffälligste war jedoch die Göckalashaube – eine Gockelhaube – unter der der Haarschopf bzw. die Zöpfe getragen wurden.
Als jedoch die Krankheit des Mädchens ernstlich ausbrach, konnte kein Arzt helfen. Das Mädchen verstarb schließlich und wurde in der Familiengruft in dem schmucken Sonntagskleid beigesetzt.
Der Meister war über den Tod seiner Tochter unsäglich traurig. Tagelang ging er nach dem Verlust seiner einzigen Tochter schweigend umher und zog sich zurück. Um ihn aufzumuntern, legte man ihn ein Schnitzmesser hin, damit er wieder zum Schnitzen begann um auf diese Weise über seine Trauer hinwegzukommen. Zu dieser Zeit hatte Erasmus Ebner entweder in seiner Werkstatt selbst Rauschgold herstellen können oder es wurde ihm von auswärts zugeschickt. Dieses Rauschgold präsentierte er dem Meister, der jedoch keinen Kommentar dazu abgab.
Eines Tages war der Meister spurlos verschwunden. Er ließ allerdings in seiner Kammer einen Engel zurück, dessen Gewand aus purem Rauschgold gefertigt war. Der Engel war bis ins Detail einzigartig. Damit die Figur auch vollkommen – ein Christkind – war, hatte der Meister zwei Flügel auf dem Rücken der Figur befestigt, welche ebenfalls aus gefaltetem Rauschgold bestanden und vom Kopf bis zu den Füßen reichten. Der Kopf des Engels war aus Lindenholz geschnitzt und hatte das Gesicht der verstorbenen Tochter.
Ein Abschiedsbrief des Meisters informierte darüber, dass er den Engel als Dank für das angefertigt und zurückgelassen hatte, was ihm und seiner Tochter in Nürnberg Gutes getan wurde.
Bald wurde die Geschichte in ganz Nürnberg bekannt und zum Gesprächsthema. Alle wollten den Rauschgoldengel des Meisters sehen und hatten Freude mit ihm. Da alle den Rauschgoldengel zum Weihnachtsfest wollten, hatten die Holzschnitzer und Messingbereiter vor der Weihnachtszeit stets Hochkonjunktur.
Mit der Zeit wurde der Rauschgoldengel das Hauptprodukt des Nürnberger Weihnachtsmarktes, welcher schließlich den Namen „Christkindlesmarkt“ erhalten hat.