Die Michaeliskirchweih in Fürth

Anfang Oktober kommen sogar die Nürnberger nach Fürth, auch wenn einige davon diesen Ausflug niemals freiwillig zugeben würden. Aber die Michaeliskirchweih hat die Macht der Sirenen und dass diesen nicht zu widerstehen ist, wusste schon Odysseus. So lockt die größte Kirchweih in Mittelfranken, wenn nicht in ganz Süddeutschland einladend alle Fürther in „ihre“ Innenstadt und die Bewohner des Umlands ebenso.

Fürth multipiliziert mit fünfzehn

Es ist das Ereignis des Jahres für alle Fürther, aber auch für Freunde der sympathischen Stadt und für jeden, der etwas für traditionelle Veranstaltungen übrig hat. Mehr als 1,5 Millionen Besucher zählt man jedes Jahr und damit sind ungefähr 15 Mal soviele Besucher in der Stadt, als Fürth Einwohner hat. Freilich verteilt sich die Million auf dreizehn Tage und es sind viele Wiederholungstäter dabei, aber das belegt erst recht die Beliebtheit der Veranstaltung.

Eigentlich handelt es sich mehr um ein Straßenfest, da sich die Buden und Stände entlang der wichtigsten Verkehrswege in Citylage erstrecken. Aber da sie zu Ehren der Michaeliskirche gefeiert wird, handelt es sich im wahrsten Sinne des Wortes um eine Kirchweih.

Das Gotteshaus lässt es sich gefallen, steht es doch in den knapp zwei Wochen seines Festes stolz und volksnah mittendrin im Geschehen. Mit Besinnlichkeit will es allerdings in dieser Zeit nicht so recht klappen. Zu laut, zu bunt, zu fröhlich und zu menschlich geht es rund um den Kirchplatz zu, aber eigentlich sind das ja genau die Attribute, die es rund um eine Kirche – und innendrin – geben sollte. Leckerleckerlecker, Krrrrrabenbrrrrrrrötchen und Gewürzgurken, Haxen, Steaks und Zwei (Bratwürste) im Weckla (ja, auch Nürnberger), sorgen für das leibliche Wohl der Gäste, wobei Lose und Schießbuden eher für zwischen zwei Mahlzeiten gedacht ist. Es gibt weder ein Bierzelt noch dominieren Traditionswirte sonst irgendwie. Was auf der Fürther Kirchweih stattdessen dominiert, ist die Lebensfreude der Besucher. Dazu trägt auch der Billige Jakob bei, dessen Lebensalter man höflicherweise verschweigt, aber so viel darf gesagt werden: Er steht schon seit Jahrzehnten am Anfang der Straße, wo es Mikrofasertücher, Socken, Pfannen und Sämereien gibt. Die Kleinen dürfte jedoch eher das Angebot an Fahrgeschäften auf der Freiheit interessieren. Das alles tritt allerdings am zweiten Kirchweihsonntag in den Hintergrund, zumindest für einige Stunden.

Erntedank, König, Bürgermeister und Co.

Der Kirchweihzug ist nämlich ein weiterer Beweis dafür, dass es sich hier um eine Kirchweih handelt, bei der Traditionen gelebt und geliebt werden. Er ist so etwas Besonderes, dass er sogar im TV übertragen wird, wenn auch „nur“ im Regionalprogramm. Vor dem Rathaus wartet der Oberbürgermeister darauf, dass er mehr als 3.000 Mitwirkende begrüßen darf, die ihm mit berechtigtem Stolz ihre Ehre erbieten – oder umgekehrt?

Es ist eine Freude, zu sehen, wie die meisten traditionellen Vereine aus Fürth und dem Umland sich in ihrer schönsten Festtagskleidung zeigen. Wunderschöne, echte Trachten sind genauso zu sehen, wie herrliche Erntedankkronen, denn der Kirchweihzug ist eigentlich als Erntedankzug gedacht. Sogar König und Königin gibt es, allerdings handelt es ich um amtierende Wein- und Erntedankköniginnen und den amtierende Schützenkönig. Alle Gruppen und Vereine, die das gesellschaftliche Leben in und um Fürth kennzeichnen, sind dabei. Spielmannszüge und Musikkapellen sorgen für Stimmung und Gruppen ausländischer Mitbürger beweisen, dass in Fürth Multikulti an der Tagesordnung ist. Im Anschluss an den Zug, der samt Vorbereitung fast den ganzen Sonntag in Anspruch nimmt, schwärmen Teilnehmer wie Besucher aus und geben an diesem Tag der Michaeliskirchweih ihr persönliches Gesicht. Das ist der Tag, an dem man sich nicht so recht entscheiden kann, ob die Stände der Kirchweih oder die echten Trachten der Besucher interessanter sind. Weil so viel authentische Menschen zu sehen sind, wird im Volksmund der besagte Sonntag auch Bauernsonntag genannt, was keinesfalls einen zweifelhaften Beigeschmack hat.

Die Bewohner der Fürther Innenstadt haben zu ihrer Kirchweih trotz des Trubels ein überwiegend positives Verhältnis. Was die Verkehrsführung angeht, sind zwar einige Herausforderungen zu bewältigen, aber dafür kann man auf dem Heimweg von der Arbeit das Abendessen gleich mitnehmen und für spontane Streifzüge über die Kirchweih ist die Citywohnlage perfekt. Trotzdem atmen die meisten ein bisschen auf, wenn der letzte Kirchweihtag verstrichen ist. Aber es dauert nicht lange, bis man sich wieder auf das nächste Jahr freut, denn: Nach der Kirchweih ist vor der Kirchweih.