Gerichtssaal 600 soll Weltkulturerbe werden
Deutschland schlägt üblicherweise jährlich ein Denkmal seiner nationalen Kultur und Geschichte für die Ernennung zum UNESCO-Weltkulturerbe vor. Bayern steht nun zwischen vier Vorschlägen: Einer von ihnen ist der Gerichtssaal 600 im Nürnberger Justizgebäude, in dem seinerzeit die Kriegsverbrecherprozesse stattfanden.
Vier Kandidaten
Eine Expertenkommission, eingesetzt vom bayerischen Kunstministerium, einigte sich nun auf 4 aus 13 Vorschlägen, die ins Rennen um das UNESCO-Weltkulturerbe gehen. Einer dieser Vorschläge ist der Gerichtssaal 600 in Nürnberg, der seine Bekanntheit durch die Prozesse der Nazi-Größen nach dem Zweiten Weltkrieg erlangte. Die anderen drei Vorschläge sind die Schlösser König Ludwigs II., das Technik- und Kulturensemble "Augsburger Wasserwirtschaft" sowie das Werdenfelsener Land, Ammergau, das Staffelseegebiet und das Murnauer Moos aus dem Alpenvorland, wobei es sich um alpine Wiesenlandschaften handelt. Bis August 2012 haben das Kabinett und der Landtag Bayerns nun Zeit, diesen vier Vorschlägen zuzustimmen; danach können sie der Kulturministerkonferenz übermittelt werden und müssen gegenüber den Vorschlägen aus anderen Bundesländern bestehen. Bis 2014 werden die Vorschläge weiter gesammelt, danach wird eine Tentativliste Deutschlands erstellt und 2015 an die UNESCO übermittelt.
Warum der Gerichtssaal 600?
Der Gerichtssaal 600 wirkt auf den ersten Blick sehr feierlich, wenn man schon in anderen Gerichtssälen war. Wer hingegen zum ersten Mal ein Gericht betritt, wird nicht enttäuscht. Hohe Fenster und eine reich verzierte Holzdecke bilden den Auftakt. Wirft man einen Blick zurück, stellt man fest, dass auch die Türrahmen von edlen, steinernen Bögen und detailreichen Plastiken verziert sind. Kronleuchter hängen an der Decke und am Ende des Gerichtssaals 600 hängt ein großes Holzkreuz an der Wand - fast mahnend, erinnernd, könnte man meinen. Lediglich die mittelbraune Holzausstattung des Gerichtssaals lässt auf Alltag schließen. Der Gerichtssaal 600 gehört zusammen mit den anderen Vorschlägen zu Kategorien, die im UNESCO-Weltkulturerbe unterrepräsentiert sind. Diese haben natürlich die besten Erfolgsaussichten und werden wahrscheinlicher ausgewählt als Vorschläge, die in die überrepräsentierten Kategorien passen. Vorschläge wie der Freisinger Dom oder die historische Altstadt von Passau haben daher das Nachsehen und wurden abgewiesen.
Den Prozess beschleunigen
Bis die deutschen Vorschläge ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen werden, dauert es Jahre, schlimmstenfalls sogar Jahrzehnte. Jährlich schlägt die Bundesrepublik allerdings auch nur ein Objekt vor und geht damit unter in der Flut der übrigen Vorschläge aus aller Welt. Die Vorschläge eines Jahres werden daher oft erst nach Jahren überhaupt geprüft und müssen dann immer noch im Wettbewerb gegen alle anderen Einreichungen bestehen. Bayern schickt dieses Jahr doppelt so viele Vorschläge wie geplant, was den Prozess etwas beschleunigen könnte. Da der Gerichtssaal 600 und seine UNESCO-Kandidaten-Kollegen unterrepräsentiert sind, haben sie tatsächlich gute Chancen, frühzeitig geprüft zu werden - und vielleicht werden sie tatsächlich bald zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. Er gilt übrigens als "Stätte mit ideengeschichtlichem Fokus".
Aktuelles vom Gerichtssaal 600
Der Gerichtssaal 600 zieht natürlich massenweise Touristen an, die sich für Nürnbergs Verwicklung in die nationalsozialistische Geschichte interessieren. Im Ostflügel des Nürnberger Justizpalastes gibt es auf rund 750 Quadratmetern eine Ausstellung zum Thema der Hauptkriegsverbrecherprozesse, die die juristischen Aspekte der NS-Zeit aufklärt und auch aufs moderne Völkerrecht eingeht. Den Saal 600 kann man ebenfalls besichtigen, wenn man möchte, auch wenn er nicht genau so belassen wurde, wie man ihn auf den Fotos aus den Prozessen sehen kann.