Der Nürnberger Stadtteil Gartenstadt
Gartenstadt Nürnberg – oder wie man aus einem Grundgedanken einen Stadtteil werden lässt
Gartenstadt – der Name ist Programm für den Nürnberger Stadtteil, der eigentlich gar keiner ist. Offiziell gehört die Gartenstadt zum Statistischen Stadtteil 4, der auf knapp 50 km² nahezu 50.000 Einwohner beherbergt, wobei die Gartenstadt selbst ca. 8.000 Bürger zählt. Auf dem Stadtplan ist die Gartenstadt innerhalb der südlichen Außenstadt zu finden. Man sucht das Gebiet zwischen Ludwigskanal, Finkenbrunn und der Minervastraße – grob gesagt gegenüber vom Südfriedhof – und hat die Gartenstadt zumindest mit dem Finger auf der Landkarte gefunden.
Wer sich dorthin aufgemacht hat, wird sich wie in einer anderen Welt vorkommen. Die Gartenstadt wirkt wie eine in sich geschlossene Siedlung aus schnuckeligen Wohnhäusern und Gärten. Städtischer und ländlicher Charakter sind hier zur perfekten Symbiose vereint. Fast könnte man meinen, zusammen mit der Bebauung aus Einfamilienhäusern wäre auch das friedliche Leben mit eingeplant gewesen – und irgendwie trifft das auch zu, wie ein Blick zurück zu den Gründungsjahren der Gartenstadt belegt.
Gartenstadtbewegung – ein Gedanke aus der Romantik
Das Jahr 1908 gilt als Geburtsjahr der Nürnberger Gartenstadt. Der Grundgedanke der Gartenstadtbewegung war nur wenige Jahre vorher in England entstanden. Es sollten Siedlungen gebaut werden, die in jeder Beziehung selbstständig sein sollten. Dazu war ein eigenes Verwaltungszentrum geplant, Handwerker sollten sich niederlassen und für die Versorgung sollten eigene Ackerflächen sorgen. Der Wunsch nach Autonomie gehörte zu den obersten Grundsätzen, wobei gleichzeitig der Wunschtraum aus der Romantik aufgenommen wurde, den eigenen Wohnraum möglichst schön und naturnah zu gestalten. In diesem Sinn wurde die erste deutsche Gartenstadt in der Nähe von Dresden gegründet. Nürnberg folgte nur wenige Jahre später mit der Gründung der Baugenossenschaft, deren Vorstandsmitglieder den Gedanken der Gartenstadtbewegung verschrieben haben.
Der Grundgedanke war die Schaffung von Wohnraum und Siedlungen auf Grundstücken, die dauerhaft im Eigentum der Genossenschaft verbleiben sollten. Dadurch sollte sichergestellt sein, dass den Bürgern ihr Wohneigentum nicht durch Grundstücksspekulationen oder andere unsaubere Vorgänge entzogen werden konnte. Gleichzeitig sollte so dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden, wobei der damals aktuellen Lebensraumreform Rechnung getragen werden sollte. Man wollte raus aus der Stadt mit ihrem industriell geprägten Charakter und hinein in ein friedliches, geschütztes Umfeld.
1911 konnten die ersten 76 Einfamilienhäuser bezogen werden. Die Bewohner mussten Mitglieder der Genossenschaft sein und das hat sich bis heute nicht geändert. Wer in die ersten Häuser einziehen konnte, wurde durch das Los entschieden. Heute gehören zur Gartenstadt mehr als 800 Einfamilienhäuser und weitere ca. 1.600 Wohnung in Mehrfamilienhäusern. Das genossenschaftseigene Gebiet wurde immer wieder erweitert, zuletzt in den 1960er Jahren durch den Erwerb von weiteren Grundstücken im Stadtteil Langwasser.
Ensembleschutz und konstante Bevölkerungsstrukturen
Die Nürnberger Gartenstadt steht aufgrund ihrer besonderen Architektur unter Ensembleschutz. Fast könnte man meinen, etwas Ähnliches gelte auch für die Bevölkerungsstruktur. Das Wohnrecht ist gemäß Satzung der Genossenschaft lebenslang angelegt und vererbbar. Dadurch ist eine gewisse Konstante entstanden, die sich auch im Erscheinungsbild des Stadtteils zeigt. Man möchte eben weiterhin unter sich bleiben – ein Schutz nach außen, dessen Verwirklichung heute wohl nicht mehr so nötig ist, wie zu Gründungszeiten, aber immer noch zum Grundgedankengut gehören mag.